Auf dem Weg nach Norden gibt es für viele nur eine Devise – schnell vorankommen. Schnell gilt es die schönen Lofoten oder das bizarre Nordkap zu erreichen. In wenigen Tagen sollen die unzähligen Kilometer auf der E 6 zurückgelegt werden. Doch es gibt da einen Landstrich, den man auf dem Hin-oder auf dem Rückweg aus nördlichen Gefilden gesehen haben sollte. Vier bis sechs Tage sollte man sich Zeit nehmen für die insgesamt ca. 650 Kilometer der Küstenstraße RV 17 von Steinkjer nach Løding bei Bodø. Mehr über die Strecke, deren Sehenswürdigkeiten und Unterkünfte erfährt man übersichtlich gegliedert auf www.rv17.no.
Auf der E 6 sind es von Trondheim nach Steinkjer, einer nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges quasi neu aufgebauten Stadt, 117 Kilometer. Ca. 22.000 Einwohner leben hier heute. Ein großes Informationszentrum an der Straße informiert über alles Wissenswerte entlang des Kystriksveien 17 – der Küstenstraße 17. Sechs längere und kürzere Fährüberfahrten sind auf diesem Weg bis kurz vor Bodø zu passieren. Deren Verbindungen und Abfahrtszeiten sind im Begleitheft der RV 17, was auch über www.rv17.no runtergeladen werden kann, zu finden. Und recht bald schon hat man sich dem Tempo der Straße angepasst und genießt die Natur.
Wer von Steinkjer bis Grong noch der Straße 763 und dann der E 6 folgt, findet auch hier bei der rechtsseitigen Umfahrung des Snåsavatn abwechslungsreiche Natur. Wälder, Moore und Ausblicke auf einen der größten Seen Norwegens bieten einen Vorgeschmack auf das was noch kommen wird. Parallel zur Route der Nordlandbahn verläuft die Straße. Bei Binde hat man einen schönen Ausblick auf den Snåsa. Ca. 30 Kilometer hinter Steinkjer ist das Rentier von Bøla - das Bölareinen - zu sehen. Vor ca. 6000 Jahren wurde es auf die Steine nahe der Bahnstrecke gemalt. Im Ort Snåsa findet man das süd-samische Museum und kurz darauf kann man nochmals einen wunderschönen Blick auf den Snåsavatn erhaschen. Über die E 6 bis Grong und die Straße 720 bis Bjøra bru erreicht man die RV 17.
An der 11.000 Einwohner zählenden Stadt Namsos, die sich heute modern und quirlig präsentiert, ist man dann vorbeigefahren. 1940 wurde auch sie im 2. Weltkrieg von der Hitlerarmee zerstört. Der Aufbau begann noch während der Kriegsjahre mit Hilfe schwedischer Spenden. Zum Dank an Schweden, gab man einem Stadtteil von Namsos einen schwedischen Namen.
Etwas abseits der Küste schlängelt sich die RV 17 gen Norden. Viele Häuser am Wegesrand stehen leer und sind zum Verkauf angeboten.145 Kilometer hinter Namsos oder 120 Kilometer hinter Bjøra bru erreicht man die erste Fähre in Holm. Sie bahnt sich durch den Bindalsfjord ihren Weg nach Vennesund. Und sollte dieses Schiff an einem frühen Freitagabend mal nicht mehr alle am Kai stehenden Autos mitnehmen können, bleibt immer noch die Zeit, um Karten an die Lieben zu Hause zu schreiben.
Nach 20minütiger Fährfahrt ist die Insel Sømna erreicht. Direkt am Wasser geht es nun 50 Kilometer Brønnøysund entgegen. Auf halber Streck schon blickt man links über den Harmfjorden nach Torget und zum Torghatten – dem Berg mit dem Loch. Das Loch freilich sieht man am besten von Bord eines Hurtigrutenschiffes. Das fährt nach seiner Ausfahrt aus Brønnøysund allabendlich am 10. Tag der „Süd-Nord-Süd-Route“ von Bergen nach Kirkenes und zurück einmal um den Berg. (Alles über die Hurtigrute und vieles über Norwegen gibt es auf unserer befreundeten Seite www.hrps.de zulesen). Wer sich mit schon geübtem Auge auf diese Fahrt begibt, kann das Loch im Berg schon erahnen, lange bevor es als Sehenswürdigkeit vom Reiseleiter des Hurtigrutenschiffes angekündigt wird. Das Loch im Berg taucht auf der langen Hurtigrutenreise genau in dem Moment auf, wo man das Gefühl hat, sich an der Natur links und rechts des Schiffes schon satt gesehen zu haben. Doch auch wer das lange Erlebnis der langen Hurtigrutenfahrt nicht macht, kann mit einer Minikreuzfahrt von Brønnøysund nach Rørvik südgehend und von dort zurück nordgehend an den Schönheiten dieser schönsten Seereise der Welt teilhaben. Ca. 375 norwegische Kronen kostet die Fahrt, die um 17.00 Uhr beginnt und um 1.00 Uhr in der Nacht wieder ihren Ausgangspunkt erreicht. Die Fahrt geht entlang der schroffen Küste und der vor gelagerten Inseln wie z. B. Leka. Buchbar ist diese Minikreuzfahrt in der Touristinformation von Brønnøysund. Das beste Eis der Hurtigrutenreise gibt esim Kiosk direkt am Kai. Egal ob mit oder ohne Früchte – es ist ein Genuss.
Brønnøysund liegt bereits im Bezirk Nordland und hat 5.000 Einwohner. Und während deutsche Führerscheine zuweilen in Flensburg Urlaub machen müssen, dürfen dies die norwegischen in Brønnøysund. Der Ort stellt auch die geografische Mitte des Landes dar – the middel of Norway. Ganz böse Stimmen behaupten auch zuweilen Brønnøysund sei „the middel of no way“ - nirgendwo. Spätestens hier sollte man auf seinem Weg nach Norden mit Hilfe des Heftes über die RV 17 oder im Internet unter www.rv17.no eine Unterkunft anpeilen. Neben Hütten und Campingplätzen sind hier auch Zimmer in Hotels und Gasthöfen zu finden.
Bis zum Parkplatz und zum Aufstieg des Torghatten auf der Insel Torget, die über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist, sind es noch ca. 10 Kilometer. Ca. 30 – 45 Minuten dauert der Aufstieg zum Loch im Berg, das 160 Meter lang, 14 Meter breit und 30 Meter hoch ist. Der Aufstieg eröffnet Blicke auf das Hinterland von Brønnøysund an Helgelands Küste. Zuweilen kreisen Raben hoch über dem Eingang zum Loch im Berg. An trüben Tagen kann einem da schon etwas mulmig werden. Und auch, wenn man weiß, dass man durch dieses Loch hinaus auf das Meer sehen wird, so ist doch der erste Anblick aus luftiger Höhe schier atemberaubend. Unzählige Inseln liegen im Wasser der norwegischen See und unten gerade noch auf dem Festland liegen verstreute Bauerngehöfte. Immer in Richtung dieser und links an ihnen vorbei in Richtung Meer sollte man sich auch halten, wenn man durch das Loch hindurchgehen möchte. Ist man unten am Meer angekommen, findet man leicht wieder in Weg zurück zum Parkplatz.
11 Kilometer sind es von Brønnøysund bis zur Fähre in Horn, die nach ca. 20 Minuten Anddalsvåg erreicht. Wenn man in normalem Tempo die 17 Kilometer bis zum nächsten Fähranleger in Forvik fährt, sollte man „wartefreien“ Übergang zur Fähre nach Tjøtta haben. Zu überlegen ist es, ob man sich die Felszeichnungen von Vistnes ansieht und das Museum von Forvik besucht. Über den Stokka- und den Mindfjord und zwischen den Inseln Minlandet und Rødøya hindurch erreicht die Fähre Tjøtta. Die Straße folgt nun wiederum atemberaubender Natur unterhalb der Bergkette der „Sju Søstre“ – der sieben Schwestern. Wasser ist nun quasi links und rechts. In Alstahaug befindet sich der alte Pfarrhof von Petter Dass neben einer Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Bald darauf erreicht man Sandnessjøen. Die hübsche kleine Einkaufsstraße am Hurtigrutenkai ist in der Mittagszeit sicherlich von zahlreichen Schiffstouristen gesäumt. Doch man sollte sich trotzdem mit ins Getümmel stürzen, sollte man zeitgleich ankommen.
Entlang der RV 17 verbindet die Helgelandsbrücke die Inseln Alsten und Leirfjord miteinander. Bevor man die Fähre ab Levang ins 25 Minuten entfernte Nesna besteigt, sollte man bei Løiten Lys noch einen Abstecher in die Formen- und die Farbenwelt der dortigen Kerzen machen. Nesna ist relativ klein und die Hälfte seines Areals scheint das hiesige Feriencenter mit seinen Hütten, Plätzen für Zelte und Wohnwagen und seinem Hotel einzunehmen. Alles ist direkt am Fjord, Sonnenuntergang hinter magischen Bergen inklusive. Morgens um 11.00 Uhr macht die Hurtigrute südgehend für 15 Minuten am nahen Kai fest. Ganz landhungrige Touristen vertreten sich hier ein wenig die Beine.
Die RV 17 windet sich hinauf auf’s Fjell. Vor und nach ein paar längeren und kürzeren Tunneln hat man wunderschöne Ausblicke auf das Meer vor Helgelands Küste. Nicht umsonst ist die Strecke zwischen Stokkvågen und Storvik „nationaler Turistveg“ (www.turistveg.no). Von Stokkvågen verkehren Fähren zu den vorgelagerten Inseln Træna, Lovund und Lurøy. Bei Ranheim sollte man eine kurze Pause einlegen und über den Aldersundet zur Insel Aldra gucken. 15 Kilometer sind es nun noch ca. bis zur Fähre von Kilboghamn nach Jektvik. Auf der 60minütigen Überfahrt überquert manden Polarkreis. Bei klarer Sicht ist die auf einem Felsrücken platzierte Stehle mit der darauf befindlichen Erdkugel nicht zu übersehen. Doch da die meisten Fährpassagiere ohnehin schon auf dem Weg nach draußen sind, ist auch dies einuntrügliches Zeichen, dass das Land der Mitternachtssonne im Sommer und der ewigen Dunkelheit im Winter erreicht wird.
Die Landschaft wird schroffer, je weiter man gen Norden fährt. Schon bei der Überfahrt erhascht man einen Blick auf den Svartisen, Norwegens zweitgrößten Gletscher. Zahllose Inseln liegen im Wasser vor uns. Es folgen 27 Kilometer durch eine Steinwüste, könnte man sagen. Die Blokktind ist allgegenwärtig. Die Fähre von Ågskardet nach Forøy benötigt 10 Minuten. Der Furøy Campingplatz hält Hütten, Zimmer und Stellplätze für Zelte und Wohnwagen bereit. Es ist schön hier direkt am Wasser zu wohnen. Immer wieder muss ich dabei auf die Blokktind schauen – mein Berg, ob im Frühnebel, im Sonnenuntergang oder am helllichten Tage. Der Berg mit seiner dreieckigen Frontpartie zu dessen Fuß Geröll aufgeschüttet zu sein scheint, hat eine anziehende Ausstrahlung. Vom Campingplatzgelände kann man durch die Kiefern auf markierten Wegen hinunter zum Fjord gehen. Zur Beerenzeit sollte man eine große Dose dabei haben!
Von Furøy aus sind es noch 12 Kilometer bis zum Anleger des Touristenbootes, das Wanderwillige in Richtung Svartisen bringt. Auf einem breiten Weg gelangt man zu einem Rasthof. Hier bitte unbedingt den linken, breiten Weg in Richtung des ewigen Eises nehmen. Der Gletscher ging in den letzten Jahren zurück. Man benötigt daher noch einige Zeit, bis man vom Verlassen dieses breiten Weges die Eiskante über die großen Felsen erreicht hat. Unheimliche Geräusche hört man aus dem Inneren des Eises. Kleine, reißende Bächlein mit eiskaltem Wasser stürzen sich in den Engabrevatnet am Holandsfjord.
43 Kilometer sind es von hier bis Ørnes, ebenfalls einem Anlaufpunkt der Hurtigrutenschiffe. Radfahrer dürfen den 11 Kilometer langen, unbeleuchteten Svartistunnel nicht durchfahren. Auf dem Landweg folgen wir noch ca. 115 Kilometer der RV 17 bis Løding 20 Kilometer vor Bodø. Auch hier trifft man schon auf die schönen weißen Sandstrände und vor allem auf den Saltstraumen, den schnellsten Gezeitenstrom der Welt. Von der Brücke, die man überquert, hat man einen schönen Blick auf das bis zu 50 km/h schnelle Wasser.
In Løding ist das Ende der RV 17 erreicht. Auf der Straße 80 sind es noch 20 Kilometer bis Bodø. 34.000 Einwohner leben hier. Fußball wird im Aspmyra-Stadion etwas außerhalb des Stadtzentrums gespielt. Von Anfang Juni bis Anfang Juli scheint die Sonne hier immer. Auch Bodø wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Sehenswert ist die Kirche von Bodø. Von außen wirkt sie wie ein schlichter 50er Jahre Bau. Innen ist sie jedoch sehr schön. Das Nordland Fylkemuseum – das Museum des Bezirkes Nordland - ist eines der bedeutendsten Museen des Nordens. Es zeigt in verschiedenen Abteilungen die Entwicklung des Fischfanges und der Folklore, die Stadtgeschichte und hat eine Wikingerabteilung mit dem Schatz von Røsvik. Die ältesten Exponate des Museums sind 20000 Jahre alt. 40 Kilometer nördlich von Bodø liegt das Freilichtmuseum Kjerringøy. Im Ort absolvierte der in Garmo geborene Knut Hamsun seine Lehre.
Wie auch immer man die 650 Kilometer der RV 17 für sich gestalten möchte. Mehr als drei Fähren sollte man pro Tagestour nicht einplanen. Man sollte diese Straße und ihr Tempo genießen. Und auch wenn man noch weiter fährt auf die Lofoten, die Vesterålen und zum Nordkap – so sagt vielleicht doch der eine oder andere am Ende einer schönen Reise – am schönsten war doch Helgelands Küste.